Verbotene Bücher – Zwischen Zensur und Entmündigung 

Stell dir vor, du schlenderst durch eine kleine Straße in Palm Beach, Florida. Es reihen sich mehrere kleine, mintfarbene Boutiquen mit runden Markisen aneinander, gesäumt von Palmen. Postkartenidylle. Dein Blick wandert die Straße entlang und du entdeckst eine winzig kleine Buchhandlung. Als Buchliebhaber beginnt dein Herz sofort zu klopfen. Da musst du rein! Du betrittst diese niedliche, kleine Buchhandlung. Möchtest dich umschauen, einfach ein bisschen stöbern. Die Sonne scheint durch die Fenster, du siehst den Papierstaub im Licht tanzen. Du läufst durch die Regale, lässt dich treiben, streichst mit der Hand über die Buchrücken, spürst das vertraute Papier unter deinen Fingerspitzen. Langsam erreichst du die hinterste Ecke des kleinen Lädchens, du schaust auf und siehst plötzlich Absperrband der Polizei vor dir. Bahnen aus grellem gelben Plastik schreien dich an, dass du diese Sperre nicht überqueren darfst. Irritiert starrst du das Bücherregal an, welches wieder und wieder mit Absperrband umwickelt ist. Über dem Regal baumelt ein rotes Warndreieck mit der Aufschrift „Verbotene Bücher“.

Von dem Book Ban in den USA haben wahrscheinlich die meisten von uns schon gehört. Seit 2021 werden immer mehr Bücher verboten. Einzelne Titel und Autoren oder gesamte Reihen, dürfen nicht mehr in den Regalen von Schul- und Gefängnisbibliotheken stehen. Werden teilweiße von lokalen Behörden auch im Verkauf verboten. Damit wird Wissen dort genommen, wo es am meisten benötigt wird. Zum Schuljahr 22-23 wurden in den USA 3.362 Bücher verboten.

Dreitausenddreihundertzweiundsechzig. 
Das sind 33 % mehr als im Jahr zuvor.

Dabei reicht es oftmals schon, wenn ein Elternteil sagt, dass es nicht möchte das sein Kind das Buch liest, um allen Personen den Zugang zu diesem Buch zu verbieten. Die Person die einen solchen Antrag stellt, muss dabei das Buch nicht einmal selbst gelesen haben oder detailliert beschreiben, was genau an dem Buch so „schlimm“ ist, dass es verboten gehört. Einfach den Titel aufschreiben, Antrag abgeben, fertig.  Das ist schlimm. Das ist gefährlich.

Es werden Bücher verboten die von farbigen Autoren geschrieben wurden, Bücher zum Thema Rassismus und Kolonialismus, Bücher, die sich damit beschäftigen wie sich der Körper in der Pubertät verändert, Bücher über queere Personen, Sexualität und Liebe. Es werden Bücher verboten, die Pulitzer-Preise gewonnen haben. Ein Buch auf der Liste nennt sich: Teen Legal Rights. Ein Buch, in diesem abgesperrten Bücherregal hatte wortwörtlich die Aufschrift: they tried to silent you long enough (dt. sie haben lange genug versucht, dich zum Schweigen zu bringen).

Der Book Ban in den USA ist nur einer von vielen. In China werden Bücher verboten, im Iran – und auch in Europa. Schon vor hunderten Jahren wurden Menschen gehängt, weil sie verbotene Bücher gelesen haben oder Bücher zur Zensur verbrannt. Die Verbote in Amerika dienen nur als Aufhänger für diesen Artikel  sind aber nicht mehr oder weniger schlimm als überall sonst auf der Welt. Das Erlebnis in der Buchhandlung hat es für mich das erste mal greifbar gemacht. Getrennt durch einen Bildschirm, habe ich das Thema vorab zwar schon war genommen, aber nicht an mich heran gelassen. Dann kann man bestimmte Bücher eben nicht mehr in der Bibliothek ausleihen, das ist schade aber halb so wild, dachte ich. Ich habe die Tragweite nicht verstanden. Schlicht einfach nicht weiter darüber nachgedacht. 

„They tried to silent you long enough“. 
Nicht hinhören, ist auch eine Art jemanden zum Schweigen zu bringen. 

Das will ich nicht. Ich habe angefangen hinzuhören, mich zu informieren. Habe mir Gedanken gemacht – und diese möchte ich in dem Artikel mit euch teilen. Ab hier handelt es sich um einen Meinungsbeitrag. Meine eigene und persönliche Sicht auf das Thema Book Ban. Am Ende des Artikels findet ihr viele Quellen, bei denen ihr euch Informieren könnt, um euch selbst eine Meinung zu bilden. Ich hoffe euch mit diesem Artikel einige Gedankengänge an die Hand zu geben, welche Auswirkungen Bücherverbote haben können. Denn Bücherverbote sind gefährlich. Für jeden von uns. 


Bücher sind Sprachrohre. Bücherverbote sind Zensur.

Bücher sind nicht nur gebundenes Papier. Bücher können Personen eine Stimme geben, die sich auf einem anderen Weg kein Gehör verschaffen können. Randgruppen, die noch immer unterrepräsentiert sind, bekommen endlich die Chance etwas zu sagen, etwas zu bewirken. Personen mit traumatischen Erfahrungen, können in dem sie darüber schreiben, anderen Menschen mit ähnlichen Erlebnissen Mut machen. Bücher sind Sprachrohre. Auch dann, wenn es auf den ersten Blick ’nur‘ um Vampire geht. Bücher sind Kunst. Eine Form sich auszudrücken. Eine Art auf Missstände aufmerksam zu machen. Eine Form die Gesellschaft zu kritisieren. Bücher sind eine Form, die eigenen Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen zu kommunizieren. Bücher sind eine From, Angst zu nehmen und Zugehörigkeit zu schaffen. 

Bücherverbote sind Zensur. Wer Bücher verbietet möchte nicht, dass wir eine Stimme bekommen. Wer Bücher verbietet, dem ist es egal, was wir zu sagen haben. Wer Bücher verbietet möchte Autoren zum Schweigen bringen und Leser klein halten.

Bücher sind Zuflucht. Bücherverbote sind Entmündigung.

Es gibt viele Gründe ein Buch zu lesen. Wir lesen nicht nur, um uns wissen anzueignen, sondern auch um Abzuschalten. Bücher sind eine Art von Zuflucht. Akzeptanz. Ein nachhause und ein runterkommen. Eine Verschnaufpause. Wer Bücher verbietet nimmt uns diese Art des Ankommens. Nimmt uns diese Art der Zuflucht. Menschen die Bücher verbieten, wollen für uns entscheiden, worin wir uns fallen lassen, worin wir uns weiterbilden dürfen und worin nicht. Diese Personen nehmen sich das Recht heraus, zu entscheiden was gut für völlig Fremde ist – und was eben nicht. Fremde wollen uns Bücher verbieten, weil sie sich „Sorgen“, dass wir mit dem Inhalt nicht klar kommen. Aber Fakt ist doch: Fremde wissen nicht mit welchen Inhalten wir klar kommen. Sie wissen nicht, ob wir mit dem selben  Thema schon in X anderen Büchern in Berührung gekommen sind. Fremde wissen nicht worin wir Zuflucht finden. Und überhaupt, was gibt Fremden Menschen das Recht jemanden vor sich selbst beschützen zu wollen? Sollte nicht jeder selbst entscheiden dürfen was einem gut tut? Sollten nicht grade die Eltern, die in Amerika reihenweise Bücher verbieten lassen, mit ihren Kindern über diese Themen reden? Ihnen sagen, dass sie es unschön finden, wenn sie Buch X lesen? Haben diese Eltern Angst, davor mit ihren eigenen Kindern zu sprechen? Denn:

Bücher sind Macht. Bücherverbote sind Angst.

Bücherverbote entstehen aus einer Angst heraus. Aus einer Unbequemlichkeit. Es ist doch einfach viel leichter, Bücher über Rassismus zu verbieten, als sich einzugestehen, dass man vielleicht Teil des Problems ist. Es ist doch viel leichter, jungen Teenagern Bücher über Sexualität zu verbieten, als mit ihnen über unangenehme Themen reden zu müssen. Es ist doch so viel einfacherer, die Rechte von jemanden zu verschweigen, als zu Riskieren, dass diese Person sie einfordern könnte. Bücher, und das Wissen, die Erfahrungen, die wir aus ihnen sammeln geben uns eine Art von Macht. Eine Macht die, solchen Personen Angst einjagt. Denn wer Bücher verbietet, hat große Angst vor jedem, der selbst in der Lage ist sich weiterzuentwickeln. Jedem, der etwas mehr weiß, als man selbst. Jedem, der in der Lage ist, sich eine eigene Meinung zu bilden. Wer Bücher verbietet, hat Angst vor der eigenen Unsicherheit. 

Bücher sind Persönlichkeitsentwicklung. Bücherverbote sind Schranken. 

Durch die Charaktere und Handlungen in Büchern, lernen wir uns oftmals selbst ein bisschen besser kennen. Wir hinterfragen bestimmte Situationen und überlegen wie wir selbst anders oder besser gehandelt hätten. Jedes Buch verändert uns ein bisschen. Mit jedem Buch entwickeln wir uns weiter. Lernen mehr, Hinterfragen mehr. Bücher helfen uns dabei, uns selbst besser zu verstehen. Uns die Angst zu nehmen und Situationen besser einzuschätzen. Bücher dienen als Sprungbrett, um neue Leute kennen zu lernen. Bücher bilden Gesprächsgrundlagen. Bücher helfen uns unsere eigene Persönlichkeit zu entwickeln und auch diese immer wieder weiterzuentwickeln. Und das alles ist vor allem für junge Menschen so, so wichtig. Wer Bücher verbietet, möchte nicht, dass man mehr über sich selbst erfährt, sich weiterentwickelt. Bücherverbote sind Schranken. Bücherverbote schränken unseren Blick ein und zwingen uns dazu, nur noch stur in eine Richtung zu schauen. Bücherverbote nehmen uns damit aktiv den Spielraum, auch mal über den Tellerrand herauszuschauen. 

Bücher sind Wissen. Bücherverbote sind Machtmissbrauch. 

In Büchern steckt unendlich viel Wissen. Wissen über menschliche Interaktionen, Geschichte, unseren Körper, dem Universum und noch viel mehr. Wer Bücher verbietet, nimmt Menschen dieses Wissen. Bücherverbote in (Schul-)Bibliotheken und Gefängnissen sind noch niederträchtiger. Greifen ganz besonders und vor allem da an, wo der freie Zugang zu Wissen bitter benötigt wird. Nicht jeder Schüler hat die Ressourcen, um verbotene Bücher einfach zu kaufen oder einen eigenen PC, um sich im Web zu informieren. Gefängnisinsassen schon einmal gar nicht. Wer Bücher verbietet nimmt billigend im Kauf, dass bereits privilegierte Menschen noch privilegierter werden und mittellose Menschen, es noch schwerer haben, sich aus der Armut zu kämpfen. Denn Bücherverbote machen Wissen noch elitärer, als es ohnehin schon ist. 

Bücher kennen keine Grenzen. Und das ist tatsächlich nicht immer gut: Es gibt durchaus Bücher die gefährlich werden können, weil sie zum Beispiel radikalisieren oder ein bestimmtes Gedankengut zu fördern versuchen. Was es in diesem Fall braucht ist Aufklärung. Kommunikation. Und zwar auf Augenhöhe. Wer Bücher verbietet, nimmt nicht nur unprivilegierten Menschen das Wissen, zensiert nicht nur und entmündigt, nein die Person verschließt auch einfach die Augen. Denn ein Buch aus dem Regal zu entfernen, bringt einige Konsequenzen mit sich – aber nicht eine lautet, dass das Buch weniger gelesen wird. Auch in Amerika sieht man das dort, wo Bücher in den Bibliotheken verboten werden – und es möglich ist sie zu kaufen – die Verkaufszahlen dieser Titel in die Höhe schnellt.

Ein Buch zu verbieten ist nur eine Bequemlichkeit, eine Art ein Thema weiter zu tabuisieren. Es ist einfacher ein Buch zu verbieten, als einfach miteinander zu sprechen. Eltern müssen lernen mit ihren Kindern offen über unangenehmen Themen zu sprechen, Fragen zu beantworten, auch wenn es unschön ist. Wissen muss für alle Zugänglich bleiben. Es benötigt keine Verbote. Was es benötigt ist mehr Kommunikation. Mehr Zwischenmenschlichkeit. Das verbieten von Büchern löst keine Probleme, es schafft sinnlos Grenzen, die es nicht geben sollte. Grenzen, die es nicht braucht. 

 

Das Thema ist wirklich so wichtig. Bitte nehmt euch die Zeit, lest euch ein, bildet eure eigene Meinung.
Mehr Informationen zu dem Book-Ban in Amerika und Bücherverboten im Allgemeinen findet ihr hier:

Pen America – The Freedom to Write

The Guardian 

The Washington Post

Columbia University 

Lest euch dazu auch den Wikipedia Eintrag zur Bücherverbrennung in Deutschland, 1933, dem Artikel über Bücherverbote im alten Rom oder die Geschichte der Bücherverbote aufbereitet von der Havard University durch. Das Phänomen ist nicht neu – und hat noch nie gut geendet. 

 

 

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