Geh, wohin dein Herz dich trägt – Susanna Tamaro

Manchmal stolpert man über ein Buch, ohne es wirklich zu suchen – und genau so ist mir Geh, wohin dein Herz dich trägt begegnet. Ein zufälliger Fund in einem öffentlichen Bücherschrank, den ich fast wieder zurückgestellt hätte. Zum Glück habe ich es nicht getan. Denn zwischen den Seiten habe ich eine Geschichte gefunden, die leise beginnt, aber mit voller Wucht ins Herz trifft.

Darum geht es in „Geh, wohin dein Herz dich trägt von Susanna Tamaro

Achtung: könnte Spoiler erhalten: Kurz nachdem Olga einen Schlaganfall erleidet, blickt sie noch einmal auf ihr Leben zurück: aufgewachsen in einer Zeit und Gesellschaft, die viel zu einengend für ihre freiheitsliebende Natur war, verheiratet mit einem gefühlskalten Mensch, eine heimliche Affäre und eine Tochter die viel zu früh stirbt. All ihre Erlebnisse notiert Olga in einem langen Brief an ihre Enkelin, denn sie vermutlich niemals abschicken wird. Denn Olga möchte auf keinen Fall das Marta ihr neues, ihr eigenes, Leben aufgibt, um zurück zu ihrer alten Oma zu reisen.

Details zum Buch

Titel: Geh, wohin dein Herz dich trägt
Originaltitel: Va‘ dove ti porta il cuore
Format: Taschenbuch
Einzelband
Autor: Susanna Tamaro
Verlag: Diogenes Verlag AG
ISBN: 978-3-257-23030-7
Seitenzahl: 192
Erstveröffentlichung: 30.04.1998
Preis: 14,00 €
Bezugsquelle: Thalia



Meine Meinung zu »Geh, wohin dein Herz dich trägt«

Von einem Leben, dass in Papier gegossen wurde und der Stille zwischen den Zeilen.

Nach einem Schlaganfall blick Olga auf ihr Leben zurück: auf eine Jugend voller Konvetionen, auf eine Ehe ohne Liebe, auf ihre erste große Leidenschaft, auf den Tod ihrer Tochter und auf all die Schuld und Sensucht, die bleibt. Olga notiert alles in Briefen. Briefe, die vielleicht irgendwann einmal ihre entfremdete Enkelin erhalten soll. 

Das Buch ist als Briefroman geschrieben. Die einzelnen Kapitel sind demnach einzelne Briefe, die Olga über mehrere Tage verteilt, an ihre Enkelin Marta schreibt. Dadurch gibt es keine klassische Handlung. Nur Erinnerungen. Fragmente. Ein ganzes Leben in Papier gegossen.

Olga teilt neben ihren Erlebnissen auch oberflächliche Geschichten. Alles was sie irgendwie bewegt oder zum nachdenken gebracht hat. Sie schreibt über ihre Freuden, Ängste, Enttäuschungen und Sehnsüchte, aber auch darüber, was sie aus ihren Erlebnissen gelernt hat. Und das in einer unverwechselbaren Nüchternheit, wie es nur ein Mensch kann, der lange, lange Zeit hatte, um sich selbst zu reflektieren. Olga möchte mit Ihren Worten weder Mitleid, noch sich erklären oder belehrend wirken. Sie möchte einfach nur erzählen. Dadurch ist der Schreibstil gleichzeitig sehr einfach und dennoch wahnsinnig intensiv. Ich kann es kaum beschreiben aber Olga sagt, Dinge während sie sie gleichzeitig auch nicht sagt. Es passiert viel Zwischen den Zeilen, aber gleichzeitigt benennt Olga sie auch direkt. Es ist als würde man beim lesen, die Gestik und Mimik von Olga mit auffassen. Und kann  so die Zeilen, auf einer viel tieferen Ebene nachempfinden. 

Ich glaube, ich habe bei keinem Buch zuvor je so viel geweint. 

Es ist intim, philosophisch, irgendwie spirituell. Es ist kurz, aber kommt voller Wucht. Durch die Briefe nimmt man nicht nur an einer Zeitreise in Olgas eigenes Leben teil, sondern sieht und fühlt, wie ihr Leben direkten Einfluss auf das Leben der Tochter und der Enkelin hatte. Sie schreibt von Dingen die sie erlebt hat und wie diese Erlebnisse ihre eigenes Handeln beeinflusst haben. Beim lesen hatte ich das Gefühl von Olgas Familie zu sein. Das Buch hat dadurch tatsächlich meinen Blick auf meine eigene Familie verändert, mich dazu gebracht, das Verhalten von meiner Familie mehr zu hinterfragen und nicht einfach alles zu verteufeln. Mir gezeigt, dass auch Eltern nicht perfekt sind. Dass sie Fehler machen, ihr eigenes Päckchent ragen und dass sie trotzdem ihr Bestes geben.

Das Buch ist perfekt für alle, die ein Buch zum nachdenken suchen. Ein Buch, das einen Rat gibt und zum reflektieren einlädt. Ein Buch für alle, die eigene Familien-Dynamiken hinterfragen wollen. Für alle, die verstehen wollen, dass das Leben kein Gleichgewicht kennt. Dass jede Handlung – sei sie noch so klein – Einfluss und Auswirkungen hat. Dass man manchmal einfach loslassen muss. Und dass es am Ende das Schönste ist, wenn man einfach dem eigenen Herzen folgt. 

Ich habe das Buch zufällig in einem Bücherschrank gefunden und wollte es erst stehen lassen. Dann mitnehmen, um es auszustellen, weil das Cover so ein nettes Zitat ist. Gott sei Dank habe ich es letztlich gelesen.

Geh, wohin dein Herz dich trägt Zitate

Weißt du, welchen Fehler man immer wieder macht? Den, zu glauben, das Leben sei unwandelbar und wenn man einmal einen Weg eingeschlagen habe, müsse man ihn auch bis zum Ende gehen.
Das Schicksal hat viel mehr Fantasie als wir.

Verständnis und Oberflächlichkeit hängen nicht mit dem Alter zusammen, sondern mit dem Weg, den jeder Einzelne geht.

Nur der Schmerz lässt einen wachsen, aber man muss sich ihm stellen, wer ausweicht oder sich bemitleidet, ist dazu bestimmt zu verlieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner